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Ziehen und Schieben von Lasten: Durchführung der Leitmerkmalmethode

  • 17.02.2022
  • Redaktionsteam SafetyXperts
  • 8 Min.

In manchen Betrieben werden die Lasten durch Ziehen und Schieben fortbewegt. Um die daraus resultierende körperliche Belastung zu erfassen und zu beurteilen, gibt es die Leitmerkmalmethode. Was Arbeitgeber dabei beachten müssen.

In jedem Unternehmen sind die Beschäftigten unterschiedlichen körperlichen Belastungen ausgesetzt. Aufgrund dessen sind Arbeitgeber dazu verpflichtet, eine Gefährdungsanalyse vorzunehmen. Die gesetzlichen Grundlagen für diese Gefährdungsbeurteilung finden sich in § 5 des Arbeitsschutzgesetzes sowie in § 2 der Lasthandhabungsverordnung.

Was sind die Leitmerkmalmethoden?

Die insgesamt sechs Leitmerkmalmethoden (LMM) sind Instrumente zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung. Sie gehören zu den sogenannten Screening-Methoden. Gemeinsam mit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) wurden die LMM von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) weiter- und neuentwickelt.

Darüber hinaus war das Institut für Arbeitsmedizin, Sicherheitstechnik und Ergonomie (ASER) maßgeblich an der Entwicklung der Leitmerkmalmethoden beteiligt. Im Rahmen des Gemeinschaftsprojekts MEGAPHYS wurden die Screening-Methoden entwickelt.

Laut Angaben der BAuA wurden die Methoden umfangreich evaluiert und in der Praxis erprobt. Die einzelnen LMM sind als Handlungsanleitungen auf der Webseite der BAuA frei verfügbar und stehen dort auf Deutsch, Englisch und vier weiteren europäischen Sprachen zur Verfügung.

Nachfolgend wird die Leitmerkmalmethode Ziehen und Schieben von Lasten (LMM-ZS) detailliert erörtert. Ziel der Methode ist es, die körperlichen Belastungen zu erfassen und zu beurteilen, die beim Fortbewegen der Last mit Hilfsmitteln und mit Muskelkraft entstehen.

Wie die anderen LMM wird auch die LMM-ZS in vier Schritten durchgeführt. Im Folgenden werden diese Schritte und weitere Handlungsanleitungen genau beschrieben.

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Was ist die Leitmerkmalmethode Ziehen und Schieben von Lasten?

Die Leitmerkmalmethode Ziehen und Schieben von Lasten (LMM-ZS) dient als Hilfsmittel zur Erfassung und Beurteilung von Belastungen, die durch bestimmte Teiltätigkeiten entstehen. Konkret geht es bei der LMM-ZS um körperliche Belastungen, die durch das Fortbewegen von Flurförderzeugen mittels Muskelkraft entstehen. Das Gleiche gilt für die Fortbewegung von Hängebahnen oder Hängekräne mit Muskelkraft.

Flurförderzeuge sind beispielsweise Einrad- und Einachskarren oder Trolleys. Darüber hinaus können Flurförderzeuge Wagen mit drei bis sechs Rädern sein, die nur mit Muskelkraft auf dem Boden beweg werden. Zudem können diese Wagen in alle Richtungen bewegt werden.

Zu den Flurförderzeugen gehören außerdem Hängebahnen. Diese sind Einschienenbahn-Systeme, bei denen die Last auf Transportanhängern in einer Richtung bewegt wird. Die Flurförderzeuge sind unterschiedlicher Natur und werden ausschließlich mit Muskelkraft bewegt. Aus diesem Grund werden sie bei der Anwendung der LMM-ZS besonders berücksichtigt.

Allerdings kann die Leitmerkmalmethode auch bei handbewegten Arbeitsmitteln angewandt werden. Dazu zählen zum Beispiel Farbmarkierungskarren oder Messrollen.

Abgrenzung und Einbeziehung anderer Leitmerkmalmethoden

In manchen Fällen ist es notwendig, andere Leitmerkmalmethoden zur Erfassung und Bewertung der Arbeitsbelastung mit einzubeziehen. Dies ist dann der Fall, wenn die Last ohne technische Hilfsmittel bewegt und über den Boden geschliffen wird. Dann muss die Leitmerkmalmethode Ganzkörperkräfte (LMM-GK) zur Bewertung der Belastung mit einbezogen werden.

Es gibt auch Fälle, in denen zusätzlich zur Bewertung die Leitmerkmalmethode Körperfortbewegung (LMM-KB) hinzugezogen wird. Dies ist dann der Fall, wenn die Last mit Flurförderzeugen bewegt wird, die über einen mechanischen Antrieb verfügen. Das trifft vor allem auf Mitgängerfahrzeuge zu. Darüber hinaus müssen Arbeitgeber dann auch die Leitmerkmalmethode Ganzkörperkräfte (LMM-GK) anwenden, um eine ausführliche Beurteilung der Arbeitsbelastung der Beschäftigten vorzunehmen.

Die LMM-GK muss auch berücksichtigt werden, wenn die Last mit Hebehilfen ohne Fortbewegung transportierst wird. Säulenkräne oder Saugheber sind Beispiele hierfür. Die LMM-ZS bewertet immer nur eine Teiltätigkeit, die während eines Arbeitstages ausgeführt wird. Wenn es pro Arbeitstag mehrere Teiltätigkeiten mit Ziehen und Schieben gibt, müssen diese vom Arbeitgeber getrennt erfasst und beurteilt werden.

Laut Angaben der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) kann die Wahrscheinlichkeit einer körperlichen Überbeanspruchung nur dann abschließend beurteilt werden, wenn alle Belastungen eines Arbeitstages erfasst und bewertet werden.

Wie wird die LMM-ZS durchgeführt?

Insgesamt gibt es vier Schritte, um die LMM-ZS durchzuführen.

  1. Bestimmung der Zeitwichtung
  2. Bestimmung der Wichtung der weiteren Merkmale
  3. Bewertung und Beurteilung
  4. Gestaltung und Vorsorge

Diese werden nachfolgend detailliert erläutert.

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1. Bestimmung der Zeitwichtung

In einem ersten Schritt wird die Zeitwichtung bestimmt. Hier kommt es auf die Weglänge und die Dauer an. Diese Faktoren sind für die Bestimmung der Zeitwichtung wichtig.

In einem Formblatt hat die BAuA die Weglänge vorgeben. Diese hat eine Spanne von 40 Meter bis 20.000 Meter. Die Dauer der Lasten-Fortbewegung liegt von einer Minute bis 480 Minuten. Die Bundesanstalt betont, dass sie von einer ungefähren Lastengeschwindigkeit beim Ziehen und Schieben ausgeht.

Darüber hinaus wird nochmals zwischen Arbeitstag und Teiltätigkeit unterschieden. Die Zeitwichtung wird für die Fortbewegung der Last mit Hilfe eines Flurförderzeug bestimmt, das beladen oder unbeladen ist.

Hinweis: Zeitwichtungen unter eins dürfen keinesfalls vergeben werden. Sie beträgt mindestens eins.
 

2. Bestimmung der Wichtung der weiteren Merkmale

Im zweiten Schritt der Durchführung der Leitmerkmalmethode werden die Merkmale der Teiltätigkeit betrachtet. Bei der LMM-ZS sind es folgende:

  • Lastgewicht inklusive Flurförderzeugs
  • Beschaffenheit des Fahrwegs
  • Ungünstige Ausführungsbedingungen
  • Ungünstige Eigenschaften
  • Körperhaltung und Körperbewegung
  • Arbeitsorganisation und zeitliche Verteilung

Für die Wichtung des Lastgewichts stellt die BAuA eine entsprechende Tabelle bereit. In dieser finden sich verschiedene Gewichtsangaben. In der Tabelle stehen zudem die verschiedenen Lastwichtungen. Darüber hinaus differenziert die Tabelle nochmals zwischen Flurförderzeugen. Hier gibt es verschiedene Punktwerte – sogenannte Wichtungspunkte.

Außerdem werden Hängebahnen und Hängekränen verschiedene Wichtungspunkte zugeordnet. Wie die BAuA bekanntgibt, berücksichtigen die Lastwichtungen neben den Vortriebskräften auch Anhebe-, Kipp-, Balancier- und Absetzkräfte.

In der von der BAuA bereitgestellten Tabelle befinden sich außerdem graue Felder. Dies bedeutet, dass die Lastgewichte nicht mehr sicher bewegt werden können.

Die Wichtungen für die Beschaffenheit des Fahrwegs beginnen bei 0 und gehen bis 6. Allerdings kommt es auf das jeweilige Flurförderzeug an, mit dem die Last bewegt wird.

Darüber hinaus spielt es eine große Rolle, ob der Fahrweg überall eben, glatt, fest, trocken und ohne Neigung ist. Beim Fahrweg wird unter anderem auch unterschieden, ob er kleinere Schadstellen oder Störungen aufweist und ob er grob gepflastert oder mit festem Sand ausgestattet ist.

Faktoren, wie beispielsweise starke Verschmutzungen, Absätze und Schwellen spielen für die Wichtung dieses Leitmerkmals eine ebenso große Rolle.

Ein weiteres Leitmerkmal sind die sogenannten „Ungünstigen Ausführungsbedingungen“. Beispiele hierfür sind unter anderem die regelmäßig stark erhöhten Anfahrkräfte der Flurförderzeuge durch das Einsinken in den Boden oder aufgrund von Verkeilungen.

Bei den ungünstigen Ausführungsbedingungen müssen Arbeitgeber Zwischenwichtungen angeben. Zudem empfiehlt die BAuA die ungünstigen Ausführungsbedingungen nur dann anzugeben, wenn sie zutreffend sind.

Neben den ungünstigen Ausführungsbedingungen der Teiltätigkeit müssen die ungünstigen Eigenschaften der Teiltätigkeit Eingang in die Bewertung der Arbeitsbelastung finden. Die Eigenschaften beziehen sich auf die Flurförderzeuge, die Hängebahnen und Hängekräne.

Ungünstige Eigenschaften dieser Fortbewegungsmittel sind beispielsweise das Fehlen von geeigneten Handgriffen sowie das Fehlen von Bremsen. Darüber hinaus sind defekte oder unangepasste Rollen mit einem zu geringen Luftdruck ebenfalls ungünstige Eigenschaften der Flurförderzeugen.

Wie bei den ungünstigen Ausführungsbedingungen werden auch bei den ungünstigen Eigenschaften Zwischenwichtungen vergeben. Wie die einzelnen Eigenschaften der Teiltätigkeits-Merkmale gewichtet werden, teilt die BAuA in ihrer Handlungsanweisung mit.

Die Körperhaltung sowie die Körperbewegung sind ebenfalls Faktoren, die für die Beurteilung der Arbeitsbelastung eine große Rolle spielen. Wenn der Rumpf aufrecht oder leicht vorgeneigt ist und keine Verdrehung beim Fortbewegen der Last aufweist, liegt die Wichtung bei 3. Das gilt auch dann, wenn keine Behinderung im Beinraum vorliegt.

Die Wichtung 5 liegt vor, wenn sich die Neigung des Körpers in Bewegungsrichtung befindet oder eine leichte Verdrehung des Körpers bei einseitigem Ziehen vorliegt. Der gleiche Wichtungspunkt liegt auch dann vor, wenn es eine feste Kraftangriffshöhe von 0,9 bis 1,2 Meter gibt.

Die Wichtung 8 wird beim Merkmal Körperhaltung / Körperfortbewegung dann vergeben, wenn die Kraftangriffshöhe unter 0,9 Meter oder über 1,2 Meter liegt. Darüber hinaus wird der gleiche Wichtungspunkt dann vergeben, wenn ses beim Ziehen und Schieben der Last zu erheblichen Sichtbehinderungen kommt und erhebliche Behinderungen im Beinraum auftreten.

Die letzten Merkmale einer Teiltätigkeit sind die Arbeitsorganisation und die zeitliche Verteilung. Hier legt die BAuA Unterscheidungen fest.

GutEingeschränktUngünstig
Es erfolgt ein häufiger Belastungswechsel durch andere Teiltätigkeiten und anderen Belastungsarten. Darüber hinaus gibt es hier keine enge Abfolge von höheren Belastungen innerhalb einer Belastungsart an einem Arbeitstag. An einem Arbeitstag erfolgt selten ein Belastungswechsel durch andere Tätigkeiten. Gelegentlich gibt es eine enge Abfolge von höheren Belastungen innerhalb einer Belastungsart an einem Arbeitstag. Es erfolgt kein oder nur ein geringer Belastungswechsel durch andere Tätigkeiten. Zudem gibt es häufig eine enge Abfolge von höheren Belastungen innerhalb einer Belastungsart an einem Arbeitstag.

3. Bewertung und Beurteilung

Die Bewertung jeder Teiltätigkeit erfolgt anhand eines Punktwerts, der auf die Tätigkeit bezogen ist. Die einzelnen Wichtungen der genannten Leitmerkmale werden zusammenaddiert und mit der jeweiligen Zeitwichtung multipliziert.

Das Ergebnis ergibt einen Punktwert, der wiederum einem bestimmten Risikobereich zugeordnet ist. Daraus können Arbeitgeber einerseits die Wahrscheinlichkeit einer körperlichen Überbeanspruchung herleiten. Andererseits geben die jeweiligen Risikobereiche vor, dass entsprechende Präventionsmaßnahmen ergriffen werden müssen.

Zudem wird bei der Bewertung und Beurteilung zwischen Männern und Frauen unterschieden. Wenn Frauen die zu bewertende Teiltätigkeit ausführen, wird der Punktwert nochmals mit 1,3 multipliziert. Hierbei wird berücksichtig, dass Frauen durchschnittlich 2/3 der physischen Leistungsfähigkeit von Männern besitzen.

4. Gestaltung und Vorsorge

Kollektive und individuelle Präventionsmaßnahmen werden ab dem „Risikobereich 3“ wichtig. Außerdem müssen Arbeitgeber ihren Beschäftigten Arbeitsmedizinische Vorsorge (ArbMedVV) anbieten. Gestaltungs- und weitere Maßnahmen müssen vor allem für besonders schutzbedürftige Beschäftigungsgruppen angeboten werden.

Dazu zählen beispielsweise jugendliche Azubis sowie Mitarbeiter mit körperlichen Beeinträchtigungen. Die gestalterische Vorsorge muss bei diesen Beschäftigungsgruppen auch im Einzelfall geprüft werden. Wie die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin mitteilt, können durch Aufsuchen der höchsten Punktwerte der Leitmerkmale die Ursachen erhöhter Belastungen erkannt werden. Daraufhin können Änderungen angestoßen werden.

Gleichzeitig rät die Bundesanstalt den Gestaltungsbedarf auch dann zu prüfen, wenn Einzelmerkmale maximale Wichtungen aufweisen.

Fazit: Warum profitieren Unternehmen von der LMM-ZS?

Mit der Leitmerkmalmethode Ziehen und Schieben von Lasten stellt die BAuA ein weiteres Instrument zur Erfassung und Bewertung der Arbeitsbelastung bereit. Im Rahmen der Gefährdungsanalyse hat sich dieses Instrument in der Praxis bewährt. Durch die LMM sollen auf einfache Art und Weise die Belastungsmerkmale dokumentiert und dem Anwender die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Belastungsarten deutlich gemacht werden.

Durch die LMM-ZS sollen die gesundheitlichen Folgen einer körperlichen Überbeanspruchung auf ein Minimum reduziert werden. Der jeweilige Punktwert, der sich aus der Wichtung der Leitmerkmale und der Zeitwichtung ergibt, wird letztendlich einem Risikobereich zugeordnet. Anhand dessen können Arbeitgeber Präventionsmaßnahmen einleiten, um so Gesundheitsschäden für ihre Mitarbeiter abzuwenden.

Das Verfahren der LMM-ZS dient außerdem der orientierenden Beurteilung der Arbeitsbedingungen beim Ziehen und Schieben von Lasten auf den genannten Flurförderzeugen, Hängebahnen und Hängekränen. Voraussetzung für die Vergabe der Wichtungspunkte sind die Einbeziehung der Leitmerkmale der Tätigkeit sowie die Zeitwichtung (siehe Punkt 1 und 2).