Arbeitsbelastungen bewerten: Leitmerkmalmethode Körperfortbewegung
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hat neue Leitmerkmalmethoden zur Verfügung gestellt. Mit den Methoden sollen die verschiedenen Formen der körperlichen Belastungen ermittelt und beurteilt werden. Eine der Leitmerkmalmethoden ist die Körperfortbewegung. Was Arbeitgeber bei der Anwendung beachten müssen.
Wenn im Betrieb Lasten gehoben, getragen oder gezogen werden, sind die Arbeitgeber dazu verpflichtet, Gesundheitsgefahren aufzuspüren und ihnen entgegenzuwirken. Durch eine Gefährdungsbeurteilung muss er möglichen Gefahren am Arbeitsplatz aufspüren. Handlungsanleitungen zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung bieten die sogenannten Leitmerkmalmethoden.
Allgemeines zu den Leitmerkmalmethoden
Gesetzlich sind Betriebsinhaber zur Durchführung der Gefährdungsanalyse verpflichtet. In § 5 des Arbeitsschutzgesetztes und § 2 der Lastenhandhandhabungsverordnung sind unter anderem die Maßnahmen festgeschrieben.
In Zusammenarbeit mit dem Institut für Arbeitsmedizin, Sicherheitstechnik und Ergonomie (ASER) und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) hat die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) insgesamt sechs Leitmerkmalmethoden entwickelt. Die Screening-Methoden sind einsetzbar für die Beurteilung von Tätigkeiten, die mit Heben, Halten und Tragen, Absetzen, Ziehen und Schieben von Lasten sowie dem Umsetzen von Lasten verbunden sind.
Im Rahmen des Gemeinschaftsprojekts MEGAPHYS wurden drei bereits bestehende Leitmerkmalmethoden weiterentwickelt. Drei neue Methoden wurden neu entworfen. Dazu gehört die Leitmerkmalmethode Körperfortbewegung. Nachfolgend werden alle wichtigen Infos zu dieser Methode gegeben.
Definition der Leitmerkmalmethode Körperfortbewegung
Im Folgenden wird die Leitmerkmalmethode mit LMM-KB abgekürzt. Bei der Methode wird die Bewegung des Körpers zum Arbeitsort berücksichtigt. Darüber hinaus wendet man die Belastungsart zur Beurteilung eines Arbeitsplatzes an, an dem die Bewegungen unabhängig vom Kraftaufwand sind.
Typische Tätigkeiten, die mit der LMM-KB beurteilt werden, sind beispielsweise Möbeltransporte ohne Transporthilfen, Kontrollbegehungen in Kanälen, Wartungsarbeiten an Beleuchtungsanlagen und Feuerstätten oder auch Krankentransporte. Für die Beurteilung des Arbeitsplatzes reicht die LMM-KB in manchen Fällen nicht aus. Deshalb müssen zum Teil weitere Belastungsarten hinzugezogen werden.
Wenn während des Bewertungsprozesses hervorgeht, dass die Teiltätigkeit erhöhte Kräfte beinhaltet, müssen die Leitmerkmalmethoden Ganzkörperkräfte (LMM-GK), Heben, Halten, Tragen (LMM-HHT), Ziehen und Schieben (LMM-ZS) und/oder Manuelle Arbeitsprozesse (LMM-MA) bei der Bewertung des Arbeitsplatzes mit berücksichtigt werden.
Für die Teiltätigkeiten gilt: Wenn es mehrere unterschiedliche Teiltätigkeiten pro Arbeitstag gibt, müssen diese getrennt voneinander erfasst und beurteilt werden. Die Wahrscheinlichkeit einer körperlichen Überbeanspruchung kann nur dann beurteilt werden, wenn alle Belastungen beurteilt werden, die an einem Arbeitstag anfallen.
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Ziel der LMM-KB
Die LMM-KB wurde in erster Linie mit dem Ziel entwickelt, die wesentlichen Belastungsmerkmale einer Teiltätigkeit zu dokumentieren und dem Anwender die Zusammenhänge zwischen den bewegten Lasten und den Gesundheitszusammenhängen deutlich zu machen.
Darüber hinaus hat die LMM-KB das Ziel, dass der Arbeitgeber als Anwender der Methode die Wahrscheinlichkeit einer körperlichen Überbeanspruchung bewertet. Mit Hilfe der LMM-KB und weiterer Leitmerkmalmethoden können gesundheitliche Folgen für den Mitarbeiter sowie ein Handlungsbedarf für den Arbeitgeber abgeleitet werden.
Vorgehensweise bei der LMM-KB
Bei der Beurteilung von Teiltätigkeiten kann es zu Abweichungen kommen, wie beispielsweise bei der Bewegungsgeschwindigkeit oder der mitbewegten Lastmasse. Dann müssen Mittelwerte gebildet werden. Wie bei den anderen Belastungsarten müssen die Teiltätigkeiten bei der LMM-KB getrennt voneinander beurteilt werden.
Die strikte Trennung muss vor allem dann erfolgen, wenn innerhalb eines Arbeitstages mehrere Teiltätigkeiten mit unterschiedlichen Arten der Fortbewegung auftreten.
Die Trennung der Teiltätigkeiten muss auch dann erfolgen, wenn sich die Bedingungen innerhalb einer Teiltätigkeit stark voneinander unterscheiden. Die Wahrscheinlichkeit einer körperlichen Überbeanspruchung kann nur dann beurteilt werden, wenn alle körperlichen Belastungen berücksichtigt werden, die innerhalb eines Arbeitstages auftreten. Gegebenenfalls müssen Arbeitgeber auch prüfen, ob weitere Leitmerkmalmethoden zur Beurteilung herangezogen werden müssen.
Einzelne Schritte bei der Vorgehensweise
Für die Beurteilung der LMM-KB sind drei Schritte notwendig. In manchen Fällen muss ein vierter Schritt hinzugezogen werden.
- Zeitwichtung bestimmen
- Bestimmung der Wichtung der wesentlichen Merkmale der Tätigkeit
- Bewertung und Beurteilung mit der LMM-KB
- Gestaltung und Vorsorge
Die einzelnen Schritte werden nachfolgend erläutert.
1. Zeitwichtung bestimmen
Die Bestimmung der Zeitwichtung erfolgt anhand einer Tabelle. Bei der Bestimmung der Zeitwichtung muss stets die Gesamtdauer der Teiltätigkeit beachtet werden.
2. Bestimmung der Wichtung der wesentlichen Merkmale der Tätigkeit
Bei diesem Schritt müssen Arbeitgeber differenzieren. Die Wichtung für die Art der Fortbewegung muss getrennt erfolgen. Einerseits für die Körperfortbewegung ohne Hilfsmittel, andererseits für die Körperfortbewegung mit Muskelkraft. Erfolgt die Fortbewegung ohne Hilfsmittel, wird die Wichtung für die mitgeführte Last anhand einer Tabelle bestimmt. Darüber hinaus muss die Wichtung für die Lage des Lastschwerpunkts, der Rumpfhaltung sowie für die ungünstigen Ausführungsbedingungen bestimmt werden.
Für die Körperfortbewegung beim Fahren mit Muskelkraft muss die mitgeführte Last anhand der entsprechenden Tabelle bestimmt werden. Außerdem muss an dieser Stelle die Wichtung für den Fahrweg bestimmt werden.
3. Bewertung und Beurteilung mit der LMM-KB
Die Bewertung der Teiltätigkeit erfolgt mit Hilfe eines Punktwertes, der auf die Tätigkeit bezogen ist. Die Wichtungen der wichtigsten Leitmerkmale werden zusammen addiert und mit der Zeitwichtung multipliziert. Der daraus resultierende Punktwert wird einem Risikobereich zugeordnet.
Anhand dieses Bereichs wird die Wahrscheinlichkeit einer körperlichen Überbeanspruchung abgeleitet. Zudem können Arbeitgeber anhand des Risikobereichs mögliche gesundheitlich Folgen und einen Präventionsmaßnahmen ableiten.
4. Gestaltung und Vorsorge
Wenn im Rahmen der Bewertung der „Risikobereich 3“ herauskommt, müssen Arbeitgeber kollektive und individuelle Arbeitsschutzmaßnahmen ergreifen. Darüber hinaus müssen Präventionsmaßnahmen für besonders schutzbedürftige Beschäftigungsgruppen ergriffen werden. Beispiele für diese Gruppen sind Auszubildende und/oder Praktikanten. Der Gestaltungsbedarf des Arbeitsplatzes sollte auch dann geprüft werden, wenn Einzelmerkmale maximale Wichtungen aufweisen.
Fazit – Leitmerkmalmethode Körperfortbewegung
Fehlbelastungen können in jedem Arbeitsbereich auftreten. Diese können beispielsweise durch Heben, Halten oder Tragen von schweren Lasten auftreten oder durch falsche Körperfortbewegungen. Damit Arbeitgeber die Belastungen durch Lasten besser beurteilen können, gibt es verschiedene Leitmerkmalmethoden.
Die Leitmerkmalmethode Körperfortbewegung ist eine davon. Werden Lasten zu schwer oder in eine fortbewegt, kann dies zu teilweise schweren Gesundheitsschäden führen. Diese Störungen machen sich vor allem im Muskel-Skelett-System bemerkbar. Falsche oder ungünstige Körperfortbewegungen können sich unter anderem in einem Hexenschuss äußern.
Im Rahmen der Körperfortbewegung können allerdings auch gesundheitliche Beschwerden in Folge von Stubenrauch und Zwangshaltungen auftreten.
Der Rauch kann zu Atemwegserkrankungen führen. Aus diesem Grund sind Arbeitgeber in der Pflicht, Präventionsmaßnahmen für ihre Mitarbeiter zu treffen. Gesetzlich verankert sind die Schutzmaßnahmen im Arbeitsschutzgesetz sowie in der Lastenhandhabungsverordnung. Darüber hinaus muss die Arbeitsmedizinische Verordnung (ArbMedVV) beachtet werden.
Für die Bewertung und Beurteilung mittels der Leitmerkmalmethode Körperfortbewegung ist es wichtig, dass differenziert wird. Einerseits wird die Fortbewegung mit Lasten ohne Hilfsmittel, andererseits mit Hilfsmitteln bewertet. Darüber hinaus erfolgt die Bewertung der Arbeitsbelastung nach einem Punktesystem. Die Punkte werden wiederum einem Risikobereich zugeordnet. Ist der Risikobereich entsprechend hoch, müssen Arbeitgeber entsprechende Präventionsmaßnahmen ergreifen, um die Gesundheit der Mitarbeiter zu schützen.