Biozide: Anwendungsgebiete und Wirkung
Biozide sind weit verbreitet: Mittel zur Desinfektion, zur Bekämpfung von Schadorganismen oder zum Holzschutz werden in vielen Unternehmen aller Branchen eingesetzt. Lesen Sie hier, welche Sicherheitsmaßnahmen Sie bei Beschaffung und Anwendung von Biozidprodukten beachten müssen. Sie erhalten wichtige Hintergrundinfos und Verhaltensregeln.
Biozide: Definition, Verwendung und Anwendungsgebiete
„Bios“ bedeutet Leben und die Endsilbe „zid“ steht für vernichten. „Biozid“ ist somit ein Überbegriff für alle Produkte und die darin enthaltenen Wirkstoffe, welche andere Lebewesen schädigen. Die „Schädigung“ der (unerwünschten) Organismen kann bedeuten, die Lebensform abzutöten (s. Tabelle) oder auf andere Weise zu bekämpfen (abschrecken, vertreiben, unschädlich machen). Typischerweise sind die „Opfer“ von Bioziden Schadorganismen wie Nagetiere (Ratten und Mäuse) und Insekten, aber auch Pilze und Bakterien.
Der eigentliche Wirkstoff eines Biozids ist die Substanz, welche die gewünschte Wirkung gegen den Schadorganismus entfaltet. Ein Biozidprodukt enthält in der Regel neben diesem Wirkstoff noch weitere Inhaltsstoffe. Diese Hilfsstoffe können beispielsweise den Stoff stabilisieren oder dafür sorgen, dass er sich leichter ausbringen lässt.
Biozide im Überblick
Biozid-Typen | Wirkungsbereich |
Algizide | gegen Algen |
Akarizide | gegen Milben und Zecken |
Avizide | gegen Vögel |
Bakterizide | gegen Bakterien |
Fungizide | gegen Pilze |
Herbizide | gegen Pflanzen („Un“-Kräuter) |
Insektizide | gegen Insekten |
Nematizide | gegen Nematoden (Fadenwürmer) |
Rodentizide | gegen Nagetiere (Mäuse, Ratten) |
Wann werden Biozide verwendet?
In Deutschland sind rund 30.000 Biozidprodukte mit fast 1.000 unterschiedlichen Wirksubstanzen auf dem Markt. EU-weit am häufigsten eingesetzt werden Desinfektionsmittel. Sie stellen etwa die Hälfte aller in Europa in den Verkehr gebrachten Biozide. Ernährungsindustrie und Gesundheitswesen sind ohne bakterizide Wirkstoffe kaum vorstellbar.
Der Begriff Biozide wird dann verwendet, wenn die Wirkung auf chemischen oder biologischen Effekten beruht. Bei einer rein mechanischen Bekämpfung von Schadorganismen, etwa durch eine Mausefalle, spricht man nicht von Bioziden.
Biozide und ihre Anwendungsgebiete
Laien unterschätzen oft das breite Anwendungsspektrum biozider Wirkstoffe. Die folgende Tabelle zeigt Ihnen einige häufige Verwendungen – einige davon finden Sie vermutlich auch in Ihrem Unternehmen.
Produkt/Branche | Biozid | Wirkung |
Hygiene, z. B. im Gesundheitswesen, Lebensmittelbranche | Desinfektionsmittel | Bekämpfen Mikroorganismen (Keime) und hemmen deren Verbreitung |
Bauholz | Schutzmittel für Holz | Gegen Fäulnis und Zersetzung durch Pilze |
Konservierung von Fassaden, Natursteinen und Wandmalereien | Organische Zinnverbindungen, Phenole u. a. | Stoppen das Wachstum von dem Untergrund schädigenden Mikroorganismen |
Teppiche | Pyrethroide (Insektizide) | Gegen Mottenfraß |
Lederwaren | Fungizide | Gegen Schimmelbefall |
Farben, Kitte u. a. | Fungizide | Gegen Pilze und Algen |
Schiffe, Boote | Anti-Fouling-Anstriche, z. B. auf Kupfer-Basis | Gegen Besiedlung von Rümpfen mit Algen, Muscheln oder Würmern |
Schuhe, Haushaltsschwämme, Plastikgeschirr, Kosmetika u. a. | Bakterienhemmer Triclosan | „biozide Ausrüstung“ gegen Bakterienwachstum |
Alle Branchen | Rattengift, Ameisenköder, Mückenspray | Bekämpfen unerwünschte tierische Organismen |
Viele Gebrauchsgegenstände unseres Alltags, privat wie im Betrieb, sind mit Bioziden behandelt: Man nennt dies die „biozide Ausrüstung“ eines Produkts.
Beispiele:
- antibakterielle Müllbeutel
- Mottenschutz von Wollteppichen
- geruchshemmende Ausrüstung von Textilien
- antibakterielle Eigenschaften von Gegenständen aus Küche oder Bad
Sie erkennen die biozide Ausrüstung von Produkten oft an Begriffen wie Ultra-Fresh, antibakteriell oder sanitized.
Nachteile von Bioziden
Die breite Anwendung einiger Biozide ist heftig umstritten. Von Triclosan, das in Sporttextilien häufig eingesetzt wird, ist z. B. bekannt, dass es die Haut reizt und im Tierversuch zu Leber- und Nierenschäden führen kann. Da es sich unter Sonnenlicht zu chlorierten Dioxinen abbaut, wurde der Einsatz für Textilien in Japan verboten. Doch immer noch wird Triclosan sogar in einigen Zahncremes eingesetzt, um Plaque und Mundgeruch vorzubeugen.
Auch die Tatsache, dass der massenhafte Einsatz antibakterieller Mittel zu resistenten Arten führt, wird diskutiert. Daher rät z. B. das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung vom Einsatz von Triclosan zur Desinfektion im Haushalt ab.
So ist der Einsatz von Biozidprodukten geregelt
Genehmigung und Zulassung von Bioziden sind auf europäischer Ebene geregelt. Jedes Biozid muss in einem mehrstufigen Genehmigungsverfahren zugelassen werden. Dazu reicht der Antragsteller ein Dossier bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) ein.
Die Genehmigung umfasst folgende Angaben:
- den Mindestreinheitsgrad
- den Höchstgehalt bestimmter Verunreinigungen
- die Art der Verwendungen
- die Anwenderkategorie
Ist die Genehmigung erfolgt, muss das Biozidprodukt zugelassen werden, bevor der Hersteller oder Einführer es in Verkehr bringen darf.
Voraussetzungen für die Zulassung von Biozidprodukten
Zulassungsstelle für Deutschland ist die Bundesstelle für Chemikalien (BfC) an der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Die behördliche Zulassung in einem EU-Land kann von anderen Ländern anerkannt und die Zulassung damit ausgeweitet werden. Ein Biozidprodukt darf erst dann auf dem Markt bereitgestellt oder verwendet werden, wenn es zugelassen wurde.
Das klingt trivial, beachten Sie jedoch 2 Stolperfallen:
- „Bereitstellen“ umfasst im Gegensatz zum „Inverkehrbringen“ die gesamte Lieferkette, also z. B. bereits die Überlassung eines Produkts vom Hersteller an einen Dritten mit dem Ziel des Vertriebs!
- Unter „Verwenden“ fällt nicht erst der konkrete Einsatz des Mittels gegen einen Schädling. Verwenden beginnt bereits beim Lagern oder Mischen!
Auch nach erfolgreicher Zulassung ist die Erlaubnis zur Vermarktung meist begrenzt, i. d. R. auf nicht mehr als 10 Jahre und für eine bestimmte Verwendungsart.
Wie werden Biozide kategorisiert?
Das Biozidrecht unterscheidet 4 Hauptgruppen mit insgesamt 22 Produktarten.
Biozid Hauptgruppe | Produktarten |
Desinfektionsmittel | menschliche Hygiene, Desinfektionsmittel und Algenbekämpfungsmittel (keine direkte Anwendung an Mensch oder Tier), Mittel im Veterinärbereich, Lebens- und Futtermittelbereich, Trinkwasser |
Schutzmittel | Schutzmittel für gelagerte Produkte, Beschichtungsschutzmittel, Holzschutzmittel, Schutzmittel für Fasern, Leder, Gummi und polymerisierte Materialien, Schutzmittel für Baumaterialien, Schutzmittel für Flüssigkeiten in Kühl- und Verfahrenssystemen, Schleimbekämpfungsmittel, Schutzmittel für Bearbeitungs- und Schneideflüssigkeiten |
Schädlingsbekämpfungsmittel | Rodentizide, Avizide, Bekämpfungsmittel gegen Mollusken und Würmer und Produkte gegen andere wirbellose Tiere, Fischbekämpfungsmittel, Insektizide, Akarizide und Produkte gegen andere Arthropoden, Repellentien und Lockmittel, Produkte gegen sonstige Wirbeltiere |
Sonstige | Antifouling-Produkte, Flüssigkeiten für Einbalsamierung und Haltbarmachung von Tierkörpern |
Diese Pflichten und Beschränkungen gelten für Vertrieb und Abgabe
Wenn Ihr Unternehmen Biozide vertreibt, müssen Sie einige Vorgaben der Chemikalien-Verbotsverordnung beachten. Die ChemVerbotsV regelt u. a., welche Beschränkungen und Pflichten für ein Inverkehrbringen gelten. Darunter fallen Erlaubnispflichten, Anzeigepflichten, Aufzeichnungspflichten und Sachkundenachweise.
Für den Umgang mit einem Biozid im Betrieb (Lagerung, Transport, Anwendung) müssen Sie zudem die Vorgaben der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) und der nachgeschalteten Technischen Regeln beachten.
Dazu gehören:
- (Sehr) giftige, krebserzeugende, erbgutverändernde oder fortpflanzungsgefährdende (jeweils Kategorie 1 und 2) Biozidprodukte dürfen nur an berufsmäßige Verbraucher abgegeben werden.
- Biozide (Stoffe oder Zubereitungen), die gemäß Gefahrstoffverordnung als giftig oder sehr giftig einzustufen sind, dürfen nicht per Selbstbedienung in den Verkehr gebracht werden. Das gilt auch für den Online-Handel.
- Viele Biozide dürfen nicht an minderjährige Personen abgegeben werden.
Diese Regelungen aus der neuen Biozid-Verordnung sollten Sie kennen
Die aktuelle europäische Biozid-Verordnung 528/2012 trat im Juli 2012 in Kraft und löste die frühere Biozid-Richtlinie 98/8/ EG ab. Seit September 2013 sind die Vorgaben der Biozid-Verordnung verbindlich anzuwenden. Die Verordnung besteht aus Vorschriften für den Umgang mit Produkten, die gegen Schädlinge (Insekten, Pilze, Bakterien) eingesetzt werden.
Dies sind die wichtigsten Änderungen durch die neue Biozid-Verordnung:
- Erweiterter Anwendungsbereich: Auch Biozide, die Ihre Mitarbeiter vor Ort im Betrieb aus Stoffen oder Gemischen (Zubereitungen) selbst herstellen, fallen unter die Richtlinie, ebenso mit Bioziden behandelte Waren. Beispiel: Ozon, welches in situ („am Ort“) hergestellt wird.
- Neue Zulassungsverfahren: Schrittweise wird eine Unionszulassung eingeführt, die für alle EU-Staaten gilt. Seit September 2013 ist dies für Desinfektionsmittel möglich, ab Januar 2017 kommen weitere Produktarten hinzu. Ausgenommen von der Unionszulassung bleiben Rodentizide, Avizide und Antifouling-Substanzen.
- Vereinfachte Zulassung für Stoffe, wenn – diese aufgrund günstiger Umwelt- und Gesundheitseigenschaften als unbedenklich gelten,
– für ihren Einsatz keine Persönliche Schutzausrüstung notwendig ist und – sie keine Nanomaterialien enthalten. - Ein Hersteller kann beantragen, die technische Äquivalenz seines Wirkstoffs festzustellen. Die ECHA prüft dann in einer vergleichenden Bewertung anhand der vorliegenden physikalischen, chemischen und ökotoxikologischen Daten, ob der aktive Wirkstoff einem bereits genehmigten Wirkstoff entspricht.
- Biozidprodukte mit CME-Substanzen (krebserregend, mutagen oder reproduktionsgefährdend), mit endokrinen (auf das Hormonsystem wirkenden) Eigenschaften oder mit PBT-Substanzen (beständig, bioakkumulierend oder toxisch) sind nicht mehr genehmigungsfähig. Ausnahmen sind möglich, allerdings für maximal 5 Jahre.
- Ab September 2015 dürfen Biozidprodukte nur noch Wirkstoffe von Unternehmen enthalten, welche in einer Positivliste der ECHA aufgeführt sind. Die früher hier relevanten Anhänge I und IA der alten Biozid-Richtlinie 98/8/EG sind nicht länger maßgeblich, es gilt nun die Unionsliste der genehmigten Wirkstoffe.
Positiv-Liste der ECHA
Substanz | CAS-Nummer |
(Z,E)-tetradeca-9, 12-dienyl acetate (ZE-TDA) | 30507-70-1 |
1R-trans phenothrin | 26046-85-5 |
4,5-Dichloro- 2-octyl-2H- isothiazol-3- one (DCOIT) | 64359-81-5 |
Abamectin | 71751-41-2 |
Acrolein | 107-02-8 |
Alkyl (C12-16) dimethylbenzyl ammonium chloride – C12-16 ADBAC | 68424-85-1 |
Alphachloralose | 15879-93-3 |
Aluminium phosphide releasing phosphine | 20859-73-8 |
Bacillus thuringiensis subsp. israelensis Serotype H14, Strain AM65-52 | Not applicable |
Basic copper carbonate | 12069-69-1 |
Bendiocarb | 22781-23-3 |
Benzoic acid | 65-85-0 |
Bifenthrin | 82657-04-3 |
Boric acid | 10043-35-3 |
Boric oxide | 1303-86-2 |
Brodifacoum | 56073-10-0 |
Bromadiolone | 28772-56-7 |
Bromoacetic acid | 79-08-3 |
Carbon dioxide | 124-38-9 |
Chlorfenapyr | 122453-73-0 |
Chlorophacinone | 3691-35-8 |
cis-Tricos-9-ene | 27519-02-4 |
Clothianidin | 210880-92-5 |
Copper (II) oxide | 1317-38-0 |
Copper hydroxide | 20427-59-2 |
Copper sulphate pentahydrate | 7758-98-7 |
Coumatetralyl | 5836-29-3 |
Creosote | 8001-58-9 |
Cypermethrin | 52315-07-8 |
Dazomet | 533-74-4 |
DDACarbonate | 894406-76-9 |
Deltamethrin | 52918-63-5 |
Dichlofluanid | 1085-98-9 |
Didecyldimethylammonium Chloride (DDAC) | 7173-51-5 |
Difenacoum | 56073-07-5 |
Difethialone | 104653-34-1 |
Diflubenzuron | 35367-38-5 |
Disodium octaborate tetrahydrate | 12280-03-4 |
Disodium tetraborate | 12267-73-1 |
Disodium tetraborate | 1303-96-4 |
Etofenprox | 80844-07-1 |
Fenoxycarb | 72490-01-8 |
Fenpropimorph | 67564-91-4 |
Fipronil | 120068-37-3 |
Flocoumafen | 90035-08-8 |
Flufenoxuron | 101463-69-8 |
Hydrochloric acid | not applicable |
Hydrogen cyanide | 74-90-8 |
Hydrogen cyanide | 74-90-8 |
Imidacloprid | 138261-41-3 |
Indoxacarb (enantiomeric reaction mass S:R 75:25) | not applicable |
IPBC | 55406-53-6 |
K-HDO | 66603-10-9 |
Lambda cyhalothrin | 91465-08-6 |
Magnesium phosphide releasing phosphine | 12057-74-8 |
Margosa extract | 84696-25-3 |
Methyl nonyl ketone | 112-12-9 |
Metofluthrin | not applicable |
N,N-diethyl- meta-toluamide (DEET) | 134-62-3 |
Nitrogen | 7727-37-9 |
Nonanoic acid, Pelargonic acid | 112-05-0 |
Powdered corn cob | not applicable |
Propiconazole | 60207-90-1 |
Pyriproxyfen | 95737-68-1 |
Spinosad | 168316-95-8 |
Sulfuryl fluoride | 2699-79-8 |
Tebuconazole | 107534-96-3 |
Thiabendazole | 148-79-8 |
Thiacloprid | 111988-49-9 |
Thiamethoxam | 153719-23-4 |
Tolylfluanid | 731-27-1 |
Warfarin | 81-81-2 |
Warfarin sodium | 129-06-6 |
Sie finden diese Liste auch auf den Webseiten der Europäischen Kommission.
Die nützlichen Anhänge der Biozid-Verordnung
Von praktischer Bedeutung sind die Anhänge der Biozid-Verordnung:
- Eine Liste der unbedenklichen Stoffe finden Sie in Anhang I der Biozid-Verordnung. Derzeit sind dies 19 Substanzen, darunter Essigsäure, Milchsäure, Weinsäure, Propionsäure, Ascorbinsäure, Natriumbenzoat, Lavendelöl, Leinsamenöl und Pfefferminzöl. Bei diesen Stoffen gibt es – wie oben in Punkt 3 aufgeführt – keinen Grund zur Besorgnis.
- Anhang II nennt die Informationsanforderungen für Wirkstoffe.
- In Anhang III finden Sie die Informationsanforderungen für Biozidprodukte.
- Anhang IV nennt Vorgaben, wenn von den Informationsanforderungen in den Anhängen II und III abgewichen werden soll.
- Der Anhang V der Biozid-Verordnung listet die unter die Verordnung fallenden Arten von Biozidprodukten mit einer kurzen Beschreibung. Hier finden Sie auch die Einteilung der Biozide in 22 Produktklassen (s. o.).
- In Anhang VI werden gemeinsame Grundsätze für die Bewertung von Unterlagen für Biozidprodukte aufgelistet.
- Anhang VII besteht aus einer tabellarischen Übersicht der Entsprechungen zwischen der „alten“ Richtlinie 98/8/EG und der neuen Biozid-Richtlinie.
Biozidprodukt oder nicht?
Die exakte Zuordnung eines Biozids zu einer Produkt-Hauptgruppe und Produktklasse oder auch die Abgrenzung zu benachbarten Rechtskategorien wie Medizinprodukten oder Pflanzenschutzmitteln ist nicht immer einfach.
Vorsicht bei der Rechtsprechung
Beachten Sie, dass die Rechtsprechung in diesem Punkt sich auf eine eher abstrakte Gefährlichkeit bezieht. Ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg aus dem Jahr 2007 bestätigte, dass auch ein reines Naturprodukt ein Biozid sein kann, für welches Pflichten und Verbote gelten. Im konkreten Fall ging es um Gerstenstroh, das gepresst und dann zur Bekämpfung von Algen in künstlich angelegten Teichen eingesetzt wurde. Die biozide Wirkung ging hier allein von den Gerstenpellets aus, es wurden keine zusätzlichen chemischen Wirkstoffe (algizide Substanzen) eingesetzt!
Hilfe bei REACH-CLP-Biozid-Helpdesk
Für Fragen können Sie eine kompetente Unterstützung in Anspruch nehmen. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hat eine nationale Auskunftsstelle (Helpdesk) errichtet. Dort erhalten Sie Auskunft nicht nur zu REACH und CLP, sondern auch zu Fragen rund um Biozide, biozidhaltige Produkte und ob es sich bei einem verwendeten Produkt um ein Biozidprodukt handelt. Dieses Angebot ist kostenlos und richtet sich bewusst an kleine und mittlere Unternehmen.
Werbung und Kennzeichnung der Biozide
In der Biozid-Verordnung ist auch die Kennzeichnung von Biozidprodukten in der Werbung geregelt. Artikel 72 verweist darauf, dass die Vorgaben der CLP-Verordnung (Nr. 1272/2008/EG) eingehalten werden müssen. Die CLP-Verordnung ist für Substanzen bereits seit 2010 anzuwenden, für Gemische gibt es derzeit noch eine Übergangsfrist. Bis Juni 2015 können Sie Gemische entweder nach den alten (1999/45/EG) oder nach den neuen Vorschriften (1272/2008/EG) kennzeichnen.
Die Werbung muss laut CLP-Verordnung folgende Mindestangaben enthalten:
- Gefahrenpiktogramme (die „neuen“ Symbole)
- Signalwörter (ACHTUNG oder GEFAHR)
- Gefahrenhinweise (Buchstabe H + 3 Ziffern)
- Ergänzende Gefahrenhinweise gemäß Artikel 25 Abs. 6 der CLP-Verordnung
Laut Artikel 72 der Biozid-Verordnung muss jede Werbung für jedes Biozidprodukt zusätzlich folgenden Warnhinweis enthalten:
Biozidprodukte vorsichtig verwenden. Vor Gebrauch stets Etikett und Produktinformationen lesen.
Diese beiden Sätze (s. Kasten) müssen so gestaltet sein, dass sie sich von anderen werbenden Texten und Informationen deutlich und gut lesbar abheben. Sie dürfen keineswegs „im Kleingedruckten untergehen“.
Für die Kennzeichnung eines Biozids können zusätzlich zu bestehenden Vorgaben nach GefStoffV und CLP weitere Kennzeichnungen notwendig sein.
Ein Biozidprodukt sollte folgende Angaben aufweisen:
- Bezeichnung der Wirkstoffe
- Konzentration der Wirkstoffe in metrischen Einheiten
- Art der Zubereitung, z. B. flüssiges Konzentrat, Pulver o. a.
- Zulassungsnummer (von der Behörde zugeteilt)
- Verwendungszweck, z. B. Antifouling, Desinfizierung
- Gebrauchsanweisung
- Dosierung/Einsatzmenge
- Chargennummer und Verfallsdatum
- Besonderheiten von Nebenwirkungen
- Anweisungen zur Ersten Hilfe
- sichere Entsorgung
- Infos zu Umweltgefahren (sofern vorhanden)
Vorsicht bei der Rechtsprechung
Beachten Sie, dass die Rechtsprechung in diesem Punkt sich auf eine eher abstrakte Gefährlichkeit bezieht. Ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg aus dem Jahr 2007 bestätigte, dass auch ein reines Naturprodukt ein Biozid sein kann, für welches Pflichten und Verbote gelten.
Im konkreten Fall ging es um Gerstenstroh, das gepresst und dann zur Bekämpfung von Algen in künstlich angelegten Teichen eingesetzt wurde. Die biozide Wirkung ging hier allein von den Gerstenpellets aus, es wurden keine zusätzlichen chemischen Wirkstoffe (algizide Substanzen) eingesetzt!
Für die Kennzeichnung eines Biozids können zusätzlich zu bestehenden Vorgaben nach GefStoffV und CLP weitere Kennzeichnungen notwendig sein.
Ein Biozidprodukt sollte folgende Angaben aufweisen:
- Bezeichnung der Wirkstoffe
- Konzentration der Wirkstoffe in metrischen Einheiten
- Art der Zubereitung, z. B. flüssiges Konzentrat, Pulver o. a.
- Zulassungsnummer (von der Behörde zugeteilt)
- Verwendungszweck, z. B. Antifouling, Desinfizierung
- Gebrauchsanweisung
- Dosierung/Einsatzmenge
- Chargennummer und Verfallsdatum
- Besonderheiten von Nebenwirkungen
- Anweisungen zur Ersten Hilfe
- sichere Entsorgung
- Infos zu Umweltgefahren (sofern vorhanden)
Wie Sie Biozide im Betrieb sicher einsetzen
Viele Unternehmen haben mit der Herstellung und dem Vertrieb von Biozidprodukten nicht viel zu tun. Dennoch werden Biozide in den meisten Betrieben auf die eine oder andere Art und Weise eingesetzt. Mal regelmäßig, etwa um Hygiene-Anforderungen zu genügen, mal bei Bedarf, etwa bei einem Problem mit Schädlingen.
Dabei sollten Sie sich immer vor Augen führen: Die gleichen chemischen Substanzen, die Biozide wirksam machen, machen sie in vielen Fällen auch gefährlich für den Anwender und damit für Ihre Mitarbeiter. Daher gelten für den Einsatz von Bioziden bestimmte Verhaltensregeln.
Der Gefährlichkeitsgrad von Biozidprodukten ist sehr unterschiedlich und breit. Sie können davon ausgehen, dass Biozide dann als gefährlich einzustufen sind, wenn sie die Kriterien für einen Gefahrstoff erfüllen.
Diese lauten:
- explosionsgefährlich
- brandfördernd
- hochentzündlich
- leichtentzündlich
- entzündlich
- sehr giftig
- giftig
- gesundheitsschädlich
- ätzend
- reizend
- sensibilisierend
- krebserzeugend
- fortpflanzungsgefährdend
- erbgutverändernd
- umweltgefährdend
Diese Wirkstoff-Infos finden Sie im Sicherheitsdatenblatt
Nützlich zu wissen ist: Alle gemäß Biozid-Meldeverordnung (BiozidMeldeV) bei der Zulassungsstelle gemeldeten Wirkstoffe eines Biozidprodukts müssen im Sicherheitsdatenblatt des Produkts angegeben werden. Sie haben damit im Sicherheitsdatenblatt immer eine erste Informationsquelle über die Wirkstoffe von Biozidprodukten, die in Ihrem Betrieb eingesetzt werden.
Sorgen Sie dafür, dass in Ihrem Unternehmen grundsätzlich nur Biozide eingesetzt werden, die bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin registriert wurden. Sie erkennen die Registrierung an dem Großbuchstaben N, gefolgt von einer 5-stelligen Zahlenkombination.
Die 5-stellige Ziffernfolge ist einmalig für ein Biozid. Jedes Biozidprodukt muss diese Registriernummer aufweisen, auch Produkte mit Altwirkstoffen, die Übergangsregelungen in Anspruch nehmen.
Machen Sie Ihre Mitarbeiter mit diesen 7 Regeln zum Biozid-Einsatz vertraut
In Ihren Sicherheitsunterweisungen sollten Sie zum Einsatz von Biozidprodukten folgende Verhaltens- und Sicherheitsregeln zum Gesundheits- und Umweltschutz festlegen:
1. Biozide stets nur nach Gebrauchsanweisung einsetzen.
2. Keine Biozide einsetzen, bei denen die Angabe des Wirkstoffs oder des Verwendungszwecks, die Gebrauchsanweisung oder das Verfallsdatum fehlen.
3. Biozide nur in der vom Hersteller angegebenen Dosierung einsetzen. Niemals die vorgegebene Einsatzkonzentration eigenmächtig erhöhen (Das Motto „Viel hilft viel“ ist Unsinn.)
4. Vorsicht mit dem Einsatz von Bioziden in Räumen und Bereichen, in denen gegessen und getrunken wird.
5. Vorsicht beim Umfüllen, Abfüllen, Abpacken usw. von Bioziden. Die Kennzeichnung muss immer erhalten bleiben.
6. Biozidprodukte niemals in Behältnisse umfüllen, die für Lebensmittel, Getränke oder Tierfutter vorgesehen sind.
7. Unleserliche Verpackung/Kennzeichnung unverzüglich dem Vorgesetzten melden. Niemals ein Biozidprodukt auf Verdacht einsetzen.
Unverzichtbar: Die Gefährdungsbeurteilung für Biozide
Selbstverständlich müssen Sie auch für Tätigkeiten mit Bioziden eine Gefährdungsbeurteilung durchführen. Dazu können Sie die Angaben im Sicherheitsdatenblatt nutzen. Es ist oft nicht einfach abzuschätzen, welche Expositionsbelastung für die Mitarbeiter beim Ausbringen von Biozidprodukten auftritt.
Berücksichtigen müssen Sie dabei stets:
- die Dauer der Anwendung
- die Häufigkeit der Anwendung
- mögliche Fehler beim Anwenden
- die betrieblichen Bedingungen
Nur wenn Sie alle diese Aspekte beachten, können Sie die geeigneten Schutzmaßnahmen festlegen. Die ordnungsgemäße Entsorgung organisieren
Wie Sie Biozid-Reste, mit Bioziden verschmutzte Reinigungstextilien, Verpackungen mit abgelaufenem Verwendungsdatum usw. entsorgen, hängt immer davon ab, ob es sich um einen gefährlichen Stoff handelt oder nicht. Die Hinweise zur ordnungsgemäßen Entsorgung finden Sie im Sicherheitsdatenblatt des Produkts oder Wirkstoffs.
Bei Unklarheiten wenden Sie sich an den Hersteller oder fragen Sie bei Ihrem lokalen Entsorgungsunternehmen nach. Vielerorts werden spezielle Problemstoffsammlungen angeboten. Grundsätzlich sollten Sie vermeiden, allzu viele angebrochene Biozidprodukte zu horten.
Wichtig: Einsatz nur mit Sachkunde erlaubt
Einige Biozide dürfen nur von sachkundigen Personen verwendet werden. Das betrifft z. B. bei Mitteln zur Bekämpfung von Ratten und Mäusen die sogenannten Antikoagulantien der zweiten Generation. Antikoagulantien sind Substanzen, welche nach Verzehr des Biozidprodukts mit diesem Wirkstoff die Blutgerinnung hemmen und das Nagetier damit töten.
Die Mittel der sogenannten zweiten Generation sind noch giftiger und schlechter abbaubar als die ersten Wirkstoffe dieser Art. Die Biozidprodukte mit diesen Wirkstoffen sind damit höher wirksam, aber gleichzeitig auch riskanter für Gesundheit und Umwelt.
Dieses Verwendungsverbot betriff auch Mitarbeiter, die im Betrieb ansonsten mit genau solchen Aufgaben der Bekämpfung von Schadorganismen betraut sind wie etwa Hausmeister oder Reinigungskräfte. Auch diese müssen durch Schulung zur Bekämpfung von Nagetieren eine Sachkunde erwerben. Diese Sachkunde nach Chemikalienverbotsverordnung gilt oft eingeschränkt für bestimmte Produktgruppen wie Holzschutzmittel oder Konservierungsmittel.
Halten Sie den Giftnotruf aktuell
Wo privat oder im Betrieb mit Bioziden umgegangen wird, besteht immer die Gefahr einer ungewollten Aufnahme durch Einatmen, Verschlucken oder Hautkontakt. Weiß jeder Ihrer Mitarbeiter, wie er in einem Notfall schnelle und kompetente Hilfe erhält?
In Deutschland gibt es kostenlose telefonische Hilfe durch Institutionen auf Landesebene. Diese werden mal Giftinformationszentrum, mal Vergiftungsinformationszentrale oder einfach Giftnotruf genannt.
Beachten Sie alternative Lösungen
In vielen Fällen ist der Griff zur „Giftspritze“ zwar der einfache Weg. Aber nicht immer ist das die beste und schon gar nicht die einzige Methode, um ein Schädlings- oder Hygieneproblem in den Griff zu bekommen. Oft gibt es giftfreie oder giftärmere alternative Verfahren.
Eine gute Anlaufquelle für Fragen vor dem Einsatz eines Biozidprodukts ist das Portal www.biozid.info:
- vom Umweltbundesamt betrieben
- stellt verschiedene Biozid-Gruppen und Produktarten vor
- informieren auch über Gesundheits- und Umweltrisiken sowie alternative und vorbeugende Maßnahmen
- Beispiel: In manchen Fällen können Sie auf den Einsatz von chemischen Bekämpfungsmitteln verzichten, z. B. UV-Lampen statt Insektenspray einsetzen oder Schlagfallen statt Mäusegift-Köder.
So melden Sie Biozidprodukte gemäß Giftinformationsverordnung
Wenn Ihr Unternehmen als Hersteller oder Einführer ein Biozidprodukt in Verkehr bringt, müssen Sie dies – zusätzlich zur oben genannten Genehmigung und Zulassung – dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) melden. So schreibt es das Chemikaliengesetz in § 16 vor. Hintergrund ist die stete Aktualisierung der Giftinformationsbank. Denn jedes Biozid wirkt potenziell auch auf den Menschen giftig.
Die gute Nachricht ist: Statt lange Formulare auszufüllen, funktioniert das Melden neuerdings auch elektronisch. Die zu meldenden Daten sind in der Giftinformationsverordnung festgelegt.
Demnach müssen Sie Folgendes mitteilen:
- den Melder/Ihre Firma
- den Handelsnamen/Produktnamen
- Angaben über die Zusammensetzung
- die Kennzeichnung
- den Verwendungszweck/Hinweise zur Verwendung
- Empfehlungen zu Vorsichtsmaßnahmen bei der Anwendung und Sofortmaßnahmen bei Unfällen
Wichtig ist, dass ein Biozidprodukt über seinen Namen eindeutig identifizierbar sein muss.
Melden müssen Sie auch Änderungen eines Biozidprodukts, und zwar:
- wenn diese Änderungen für die Behandlung von Erkrankungen/Vergiftungen bedeutsam sein können,
- woran sich altes und neues Produkt eindeutig unterscheiden lassen,
- wenn Sie ein Biozidprodukt nicht länger in Verkehr bringen.
Das BfR beachtet die Vertraulichkeit Ihrer Daten. Die interne Datenbank ist nicht über das Internet zu erreichen. Nur Mitarbeiter von Vergiftungszentralen und Behandlungszentren für Vergiftungen können auf die Daten zugreifen, um bei medizinischen Notfällen schnell zu reagieren.
Der Weg zur Meldung eines Biozids
- Für die elektronische Meldung benötigen Sie zunächst einen BfR-Firmencode. Dafür steht ein kurzes Formblatt bereit. Sie müssen hier u. a. angeben, wer mit welchen Kontaktdaten im Falle von Vergiftungen telefonisch Auskunft erteilen kann. Diese Ansprechpartner sollten nicht pro forma gewählt werden, sondern Personen sein, die Fachwissen über das Produkt vorweisen können.
- Sie senden das Formular produkt-meldungen@bfr.bund.de.
- Anschließen laden Sie sich die eigentlichen Meldeformblätter auf der BfR-Homepage unter www.bfr.bund.de > Rezepturmeldungen > Meldeformulare herunter und füllen diese aus.
Alternativ zu Schritt 3 können Sie sich den Weg abkürzen, wenn Sie vorhandene Daten aus Ihrer Firmendatenbank in das XML-Format exportieren. Mithilfe einer vom BfR bereitgestellten Eingabehilfe ergänzen Sie die Angaben, z. B. Ihren Firmencode, und laden die Datei direkt über die BfR-Homepage hoch oder senden sie per Mail an produkt-meldungen@bfr.bund.de.
Weiteres Vorgehen
Etwa 2 bis 4 Wochen nach Meldung erhalten Sie eine Bestätigung, dass Ihre Meldung beim BfR eingegangen ist. Außerdem wird Ihnen schriftlich eine Produktnummer zum gemeldeten Produkt zugeteilt. Dann dürfen sie Ihr Biozidprodukt in Verkehr bringen.
Denken Sie auch daran, dem Bundesinstitut für Risikobewertung einen Umzug und Adressenwechsel Ihres Unternehmens mitzuteilen. Eine formlose Mail an produkt-meldungen@bfr.bund.de genügt.
Ihr Firmencode bleibt dann bestehen, Sie müssen ihn nicht neu beantragen. Ändert sich jedoch die gesamte Rechtssituation der Firma, zum Beispiel durch eine Übernahme oder Fusion mit einem anderen Unternehmen benötigen Sie einen neuen Firmencode UND müssen Ihre Biozidprodukte mit Ihrem neuen Code neu melden.
FAQ – Die wichtigsten Fragen zu Bioziden
Biozide sind Produkte, die zur Bekämpfung von tierischen und pflanzlichen Schädlingen eingesetzt werden.
Da Biozide Kriterien eines Gefahrenstoffs erfüllen und wie giftig, entzündlich, krebserzeugend sind oder die Fruchtbarkeit gefährden, sind sie für den Menschen gefährlich.
Zu den bioziden Altwirkstoffen, die bereits bewertet wurden oder noch bewertet werden, gehört beispielsweise Formaldehyd. Neuwirkstoffe wurden noch nicht bewertet und sind deswegen noch nicht zugelassen.
Ihre Wirkung gegenüber Schädlingen zeigt sich zum Beispiel durch eine Lähmung des Nervensystems oder eine Beeinträchtigung der Fortpflanzungsmöglichkeit. Die Vergiftung kann auch zum Tod führen.
In der Biozid-Verordnung sind die Hauptgruppen und die jeweiligen Produktarten festgelegt. Biozide kommen zum Beispiel in Desinfektionsmitteln, Schutzmitteln oder in der Schädlingsbekämpfung vor.
Autor: Redaktion Safety Xperts