„kommmitmensch“ – was Ihr Betrieb aus der neuen Kampagne zur Präventionskultur lernen kann
Bestimmt sind Sie schon auf einigen Messen, auf Postern oder in Fachzeitschriften auf die neue Kampagne der DGUV aufmerksam geworden. Unter dem Motto "kommmitmensch" sollen Arbeitschutz, Unfallverhütung und Gesundheitsschutz einheitlich werden. Der folgende Beitrag zeigt, was damit gemeint ist und was Sie für Ihr Unternehmen aus der Kampagne mitnehmen können.
Zweifellos wurde im Arbeitsschutz in den letzten Jahrzehnten viel erreicht. Doch der Rückgang der Arbeitsunfallzahlen hat sich inzwischen verlangsamt. Immer deutlicher wird, dass die bisherigen Präventionsansätze nicht ausreichen, um dem Ziel „Vision Zero“ näher zu kommen. Dies ist der Hintergrund der neuen Präventionsstrategie “kommmitmensch”, welche die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen derzeit mit einer Kampagne bundesweit und quer durch alle Branchen umsetzen.
Vom einzelnen Unfallrisiko zu einer Kultur der Prävention
Die Titel vorangegangener DGUV-Kampagnen bezogen sich mit „Deine Haut – Die wichtigsten 2 m² Deines Lebens“ und „Denk an mich. Dein Rücken“ jeweils auf konkrete Gesundheitsthemen. Der neue Titel „kommmitmensch“ klingt zunächst weniger greifbar und eindeutig. Doch bei näherem Hinschauen erscheint er clever gewählt. Es klingt das englische „commitment“ an, das mit Engagement, Verbindlichkeit und Selbstverpflichtung übersetzt werden kann. Gleichzeitig wird deutlich, dass es um den Menschen geht und jeder Einzelne zum Mitkommen aufgerufen ist.
Dahinter steht der Grundgedanke einer neuen Präventionskultur. Statt an isolierten Unfall- oder Erkrankungsschwerpunkten anzusetzen, soll eine Kultur der Prävention entwickelt werden.
„Sicherheit und Gesundheit sind Werte für alle Menschen, jede Organisation und die Gesellschaft. Sie sollen Gegenstand allen Handelns werden. Präventives Handeln ist lohnend und sinnstiftend.“ (DGUV 2017)
Die Kernbotschaft der Kampagne (s. Zitat) macht es deutlich: Unfallverhütung und Gesundheitsschutz sollen auf der individuellen Ebene, auf der Ebene einer Organisation, etwa eines Unternehmens, sowie auf gesellschaftlicher Ebene ansetzen. Durch diesen mehrschichtigen Ansatz sollen Sicherheit und Gesundheit dauerhaft ins Denken und Handeln einfließen.
Dies berücksichtigt bewusst auch den aktuellen Wandel der Arbeitswelt. Denn gerade die Herausforderungen der „Arbeitswelt 4.0“ beziehen sich weniger auf bestimmte Unfallgefahren oder spezielle Gesundheitsrisiken als vielmehr auf die Gesamtsituation des Menschen an seinem Arbeitsplatz mitsamt seinen sozialen Beziehungen.
Präventionskultur – was genau soll das sein?
Auch wenn der Begriff „Präventionskultur“ schon seit etwa 20 Jahren in Fachkreisen kursiert, hat er bisher im Bewusstsein der Arbeitsschutzakteure kaum Widerhall gefunden. Es gibt nicht mal einen Wikipedia-Eintrag dazu, der sich an eine Definition oder Begriffserläuterung wagen würde. Doch fasst man die Essenz der verschiedenen Fachveröffentlichungen zusammen, zeigen sich folgende Merkmale, die eine „Kultur der Prävention“ charakterisieren:
Präventionskultur…
- betrachtet „Sicherheit und Gesundheit“ als untrennbar miteinander verbunden.
- geht über die Unfallverhütung hinaus, um systematisch allen Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren vorzubeugen.
- zielt auf eine Bewusstseinsbildung und ein Werteverständnis, das den gesamten Menschen in der Arbeitswelt umfasst.
- setzt nicht punktuell an einzelnen Gefährdungen an, sondern integriert Sicherheit und Gesundheit auf allen Ebenen: im Betriebsklima, im Betriebsleitbild, in allen betriebsinternen Entscheidungen und Prozessen.
- arbeitet nicht nur gesetzliche Vorgaben ab, sondern verankert Sicherheit und Gesundheit systematisch und dauerhaft in die Abläufe und Strukturen von Unternehmen.
- will – über das Kontrollieren von Maßnahmen und Vorschriften hinaus – auf Wertvorstellungen, Normen und Denkhaltungen einwirken.
Ein sicherheits- und gesundheitsbewusstes Verhalten soll damit zum selbstverständlichen Normalfall werden.
Wie steht es um die Präventionskultur in Ihrem Unternehmen?
Diese Beschreibung klingt zugegebenermaßen noch etwas abstrakt. Die DGUV nennt aber 6 Handlungsfelder, die als Einstieg in die “kommmitmensch”-Kampagne dienen. Diese liefern Ihnen konkrete Anhaltspunkte, um abzuschätzen, wie es um die Präventionskultur in Ihrem Betrieb bestellt ist und wo Sie Ansatzpunkte zur Weiterentwicklung finden.
1. Handlungsprinzip Führung
- Gehen Vorgesetzte beim Umsetzen von Arbeitsschutzregeln mit gutem Beispiel voran?
- Haben Ihre Mitarbeiter das Gefühl, dass Sicherheit und Gesundheit von den „oberen Etagen“ ernst genommen und aktiv gefördert werden?
- Können Sie als Arbeitsschützer begründete sicherheitsrelevante Investitionen ohne große Widerstände durchsetzen?
- Fühlen sich Ihre Mitarbeiter von der Betriebs- oder Unternehmensführung wertgeschätzt?
2. Handlungsprinzip Kommunikation
- Finden Sie als Arbeitsschützer mit sicherheitsrelevanten Themen und Vorschlägen stets ein offenes Ohr bei der Geschäftsführung?
- Kommen Sicherheit und Gesundheit zur Sprache bei Teambesprechungen, Ideen-Treffen, Jahresmitarbeitergesprächen usw.?
3. Handlungsprinzip Beteiligung
- Werden Ihre Mitarbeiter als Experten für ihren eigenen Arbeitsplatz beim Durchführen von Gefährdungsbeurteilungen selbstverständlich beteiligt?
- Gibt es ein betriebliches Vorschlagswesen (Ideenbriefkasten o. Ä.), das explizit auch Ideen und Initiativen der Mitarbeiter zu Unfallvermeidung und Gesundheitsschutz einbindet?
- Haben Sie gemeinsam mit dem Betriebs- oder Personalrat Betriebsvereinbarungen erstellt, z. B. zum Umgang mit Alkohol, zum Vorbeugen von Mobbing oder zum betrieblichen Eingliederungsmanagement?
4. Handlungsprinzip Fehlerkultur
- Werden Arbeitsunfälle analysiert und gemeinsam mit den Beschäftigten aufgearbeitet?
- Herrscht eine konstruktive Fehlerkultur? Das heißt, ist es selbstverständlich, dass Fehler angstfrei und ohne Schuldzuweisung mitgeteilt werden?
- Werden auch Beinahe-Unfälle und kritische Situationen nicht verheimlicht werden?
5. Handlungsprinzip Betriebsklima
- Machen Kollegen einander selbstverständlich darauf aufmerksam, wenn jemand durch Missachtung von Schutzvorschriften ein höheres Risiko eingeht?
- Werden Mitarbeiter motiviert, sich zu Sicherheits- und Gesundheitsthemen weiterzubilden?
- Fördert der Betrieb gemeinsame Aktivitäten seiner Beschäftigten wie Feiern, Aktionstage, Betriebssport usw.?
6. Handlungsprinzip Sicherheit und Gesundheit
- Organisiert Ihr Betrieb Angebote zur Gesundheitsförderung?
- Haben Sie ein betriebliches Gesundheitsmanagement eingeführt oder ist ein solches in Planung?
- Gibt es einen überbetrieblichen Erfahrungsaustausch zu sicherheitsrelevanten Fragestellungen (Erfa-Gruppen, -Treffen o. Ä.)?
- Stehen Sie in Kontakt mit externen Experten von Krankenkassen, Unfallversicherungsträgern usw., um neue Präventionsangebote, Gesundheitstage, Fortbildungsangebote etc. zu nutzen?
Interessante Broschüren zu den einzelnen “kommmitmensch”-Handlungsfeldern finden Sie auf der Webseite der Kampagne.